Wir sind in Bolivien, dem siebten Land auf unserer Reise.
Wir hatten wieder mal Glück an der Grenze, denn der Übergang war völlig unproblematisch. Er hat allerdings etwas länger gedauert, denn wir sind zehn Minuten vor der Mittagspause des Bolivianischen Grenzbeamten zum Schlagbaum gekommen und da geht natürlich nichts mehr. Also hieß es erst mal eine Stunde warten, aber als der gute Mann mit gefülltem Baucherl zurückkam, hat er uns recht rasch abgefertigt, nur einen kurzen Blick ins Fahrzeug geworfen und unseren haarigen Banditen ignoriert.
Um die ersten Dinge wie Geld und SIM Karten zu besorgen und zum Eingewöhnen haben wir uns erst mal für paar Tage einen netten Platz bei Copacabana direkt am Titicaca See gestellt. Das Dörfchen ist wirklich entzückend und hat eine wunderschöne Kathedrale, an der jeden Tag Autos, Busse und LKWs geweiht werden. Wir wollten Mr. Benz die Weihe samt Blumengirlanden eigentlich auch gönnen, aber es war derart viel los, dass es leider nicht geklappt hat. Wir wollten an dem Tag auch nicht zu viel Zeit vertun, denn schließlich stand noch die Überfahrt mit der ‚Fähre’ an, von der wir oft gehört haben, wie abenteuerlich sie sein solle.
Die Holzflosse sahen auch erst mal wenig vertrauenswürdig aus, aber wenn man all die Busse über den See schwimmen sieht, dann schöpft man doch Hoffnung, dass man samt LKW auch sicher auf die andere Seite gelangt und im Grunde war es auch nur halb so schlimm wie befürchtet.
Weiter ging es dann entlang des Titicaca Sees – er ist so unglaublich groß, dass man oftmals denkt, man sei am Meer, dazu im Hintergrund die schneebedeckten Gipfel der 6000der und das azurblaue Wasser … wirklich traumhaft …und mit diesem Ausblick fuhren wir eeewwwiiiggg lang und machten viele Pipipausen (diese Anmerkung ist für alle, die sich fragen, ob sich Hans zweiter Wunsch erfüllt hat).
Die nächste Station war La Paz – eine absolut verrückte Stadt voller Extreme: beim Hineinfahren hat man das Gefühl, sie sei eine einzige stehende Blechlawine, La Paz ist der höchste Regierungssitz der Welt, viele Fußballclubs weigern sich sogar auf dieser Höhe zu spielen, innerhalb der Stadt gibt es einen Höhenunterschied von fast 1000 Meter und zudem mindestens so viele Treppen wie Straßen. So eine Stadt auf eigene Faust zu erkunden, macht wenig Sinn – deshalb haben wir Gert ‚the German guide’ gebucht und hatten jeweils eine super spannende zehnstündige Privatführung: Begonnen haben wir mit einer Gondelfahrt nach ganz oben. Von En Alto hat man einen gigantischen Ausblick über diese unbeschreibliche Stadt und man versteht, weshalb die zehn Seilbahnen (übrigens made in Austria!) hier so wichtig sind, denn eine U-Bahn durch die Stadt zu graben, würde bedeuten, dass das gesamte Gebilde an verschachtelten Häusern schlichtweg in sich zusammenbrechen würde.
Weiter ging es zum Hexenmarkt – eine kilometerlange Straße mit unzähligen Yatiris (Schamanen) und diese sind hier nicht nur eine Institution, sondern für buchstäblich alles zuständig: egal ob man ein Haus baut, ein Auto kauft, einen Vertrag abschließen möchte, einen Partner sucht oder selbigen loswerden möchte … man geht erst zum Yatiri. Der Schamane liest erst mal aus Koka Blättern, welches Ritual bei dem Problem geeignet ist und macht dann eine Zeremonie. Dabei kommt es immer auf die richtigen Opfergaben an und es bedarf allerlei Utensilien so ist z.B. ein Lamafötus oder ein Lamababy die kostbarste Gabe, Lamafett gehört immer dazu, Weihrauch, diverse Kräuter, Symbole aus Zucker, Kerzen (schwarze für Böses, rote für Gutes) und und und. Aus all dem wird ein Gabenteller zusammengestellt, der am Ende der Sitzung verbrannt und Pachamama geopfert wird. In den kleinen Kammerl der Schamanen hängen meist auch christliche Symbole, denn beides schließt sich gegenseitig nicht aus beziehungsweise gilt hier das Motto ‚doppelt hält besser‘.
Mit der nächsten Seilbahnlinie ging es hinunter ins Zentrum und alleine die Fahrt ist ein Hammer, denn es gibt so vieles zu entdecken: wie ein kleiner Voyeur sieht man oben in all die Hinterhöfe hinein, da wird gebrutzelt, Wäsche oder Haare gewaschen, Autos repariert, da hängt plötzlich ein Autowrack in einer Felsspalte, dann schwebt man über einen riesigen Friedhof mit seinen dreistöckigen Totenhäusern (man muss übrigens nach sechs Jahren sein Plätzchen räumen, denn der Andrang ist sehr groß) und landet schließlich im Herzen der Stadt.
Der Hauptplatz von La Paz ist ebenfalls eine Ansammlung von Extremen: der neue Präsidentenpalast klebt förmlich am alten und passt architektonisch überhaupt nicht hinein. Ein ehemals sicherlich wunderschönes Gebäude vis à vis des Präsidentenpalastes verfällt völlig, ein weiteres ist bereits zur Hälfte in sich zusammengefallen, die Fassade des Sitzes der Polizei ist mit Einschusslöchern übersäht, die Zahlen auf der Uhr beim Parlament sind gegen den Uhrzeigersinn angebracht … ein Schmuckstück ist diese Plaza nicht gerade, aber irgendwie passt das chaotische Sammelsurium zu dieser Stadt. Ein richtiges Schmuckstück trafen wir dann aber noch auf der Plaza – eine Freundin von Gert und eine echte ‚Cholita’ – das sind Frauen, die auch im Alltag mit großem Stolz die traditionelle Kleidung und die Melonenhüte tragen. Sie hat mir erzählt, dass man etwa acht Meter Stoff für einen Rock verarbeitet und dass man darunter noch zwei Unterröcke trägt, um ein schönes Volumen zu erzeugen – das Schönheitsideal ist hier kein Knackpopo sondern ausladende Weiblichkeit, denn Fruchtbarkeit ist alles.
La Paz war ein tolles Erlebnis aber wir machen uns wieder auf den Weg, denn das Land hat so noch so viel zu bieten. Als nächstes fahren wir zum Salar de Uyuni und hoffen auf eine sternenklare Vollmondnacht am Weißen Meer von Bolivien … aber wie immer sind wir der Überzeugung ALLES WIRD GUT!