Wir sind aus Kanada ziemlich überstürzt geflüchtet … es gibt dieses Mal so gut wie keine Fotos, aber dafür den Hintergrund und ein Resümee:
Es fing damit an, dass uns am letzten Tag in Vancouver der ‘Nebel’ gewundert hat. Wir haben noch alle möglichen wichtigen Services wie Ölwechsel, Räder umstecken sowie Haare schneiden erledigt und gehofft, dass sich der ‚Dunst’ endlich verzieht. Bald stellte sich aber heraus, dass nicht etwa der Herbst hereinbricht, sondern dass es sich um Rauch von den Waldbränden in British Columbia handelt. Anfangs hatte es ja etwas von einer gewissen Lagerfeuerromantik und wir machten noch Witze, dass wir uns sicherlich in einer sehr schönen Umgebung befinden würden, wir könnten sie vor lauter Qualm halt nur nicht sehen. Aber es wurde von Tag zu Tag schlimmer. Nach einer Woche verging uns dann endgültig das Lachen und es herrschte so richtig gespenstische Endzeitstimmung: man konnte die Sonne gar nicht mehr sehen, es wurde den ganzen Tag zwar nicht richtig hell, aber ab Mittag dennoch unerträglich heiß und vor allem noch stickiger. Die Rehe flüchteten sich in die Stadt und gleichzeitig war kein Mensch mehr auf den Straßen, denn alle verschanzen sich in der 5. Jahreszeit – der fire saison – natürlich möglichst in ihren klimatisierten und rauchfreien Räumen. Bei uns im ‚durchlüfteten’ Mr. Benz wurden die Kopfschmerzen und die Atembeschwerden immer heftiger. Es ging einfach nicht mehr und deshalb sind wir 10 Tage früher als geplant aus Kanada ausgereist.
Wir können uns dennoch glücklich schätzen, denn wir haben zwar auf Yukon und Alaska verzichtet, aber dafür ganze sechs Wochen in British Columbia verbracht. Und die Provinz verdient es wirklich, dass das Prädikat ‚wunderschön‘ auf jedem Nummernschild steht.
Für die Statistik: wir sind in Kanada insgesamt etwas über 9.000 km gefahren. Wir haben in den drei Monaten kein einziges Fahrzeug überholt, sind dafür 100te Male überholt worden (dabei haben wir nur etwa sieben Mal einen Kanadischen Stinkefinger gesehen, weil unsere Reisegeschwindigkeit offenbar nicht gefiel). Wir haben insgesamt 11 Waschsalons aufgesucht, aber nur einen einzigen Campingplatz. Wir haben ca. 3500 Liter Wasser verbraucht, aber keinen einzigen Liter Wein. Ich habe ca. 850 Teebeutel aufgebrüht, vornehmlich Kamille – nein, nicht für Sitzbäder, aber seitdem ich nicht mehr rauche, habe ich eine neue (zugegebenermaßen perverse) Sucht – Kamillentee mit Honig. Wir sind unter unserem geplanten Reisebudget geblieben, obwohl wir es uns haben gut gehen lassen (nein – hier besteht KEIN Widerspruch zum Kamillentee!).
Was wird uns von Kanada besonders in Erinnerung bleiben? Natürlich gab es viele besondere Orte und Momente, aber es sind vielmehr die Dimensionen – und zwar sowohl landschaftlich als auch menschlich – die Kanada für uns so besonders und unvergleichbar machen: Zum einen die unberührte und scheinbar unendliche Weite, mit der das Auge anfangs richtig überfordert ist, all die Wälder, Seen, Flüsse und Bäche. Zum anderen die unerwartete Freundlichkeit der Kanadier, die Lockerheit und Ungezwungenheit, mit der einem selbst die Polizei begegnet (skurriles Detail am Rande zum Thema Lockerheit und Polizei: Alkohol in der Öffentlichkeit ist in Kanada verboten, Marihuana aber völlig legal). Wir waren erstaunt über die vielen Einladungen sowie über all die Angebote, uns zu helfen oder uns zu unterstützen. Die Kanadier sind sehr herzlich und offen und dementsprechend viele nette Begegnungen hatten wir auch in den letzten Monaten. Und genau diese menschlichen Highlights machen den Unterschied zu einem normalen Urlaub und unsere Reise so besonders.
Das bringt mich zu meiner ‚ein-Viertel-Jahr-auf-der-Straße’ Bilanz, nämlich warum unser Leben im Mr. Benz zwar echt sehr fein ist und wir unsere Entscheidung auch nicht bereuen, aber warum es definitiv nichts mit Urlaub zu tun hat. Ich habe bissi gebraucht, um den Unterschied mit einem Wort beschreiben zu können, aber jetzt habe ich es: es ist das Wort ‚Alltag‘! Wenn man auf Urlaub fährt, dann lässt man gerade den lästigen Alltag gut versperrt daheim zurück, man genießt ein Leben ohne ihn und er holt einen erst wieder zuhause in Form eines Wäscheberges und zu organisierenden Dingen ein. Bei uns hingegen fährt der Alltag jeden Tag mit und genau dieser Lästwanz ist ehrlich gesagt der anstrengendste Teil des Reisens, weil man ihn von unterwegs – im Grunde von der Straße aus – organisieren muss: Was koche ich die nächsten drei bis vier Tage und wo kaufe ich es ein? Wo ist der nächste Waschsalon und kann ich dort mit einem Lkw für paar Stunden einfach stehen bleiben? Wo können wir unseren Wassertank (idealerweise mit Trinkwasser) auffüllen und wo die Toilette entleeren? Und nicht zu vergessen die Frage, die sich täglich ab spätestens 15 Uhr stellt: wo schlafen wir heute Nacht? All das ist gut zu bewältigen, aber es ist halt alles wesentlich aufwendiger als daheim.
Was sich auch noch unterscheidet, ist die Tatsache, dass wir im Grunde gekommen unsere Privatsphäre daheim zurückgelassen haben und das ist manchmal nicht leicht: keine Frage, es kommt uns sehr sehr oft zugute, dass Mr. Benz ein wahrer Sympathiemagnet ist und wir profitieren ganz klar davon, keine ‚normale weiße Campingware’ zu fahren. Aber die auffällige Ungewöhnlichkeit bzw. die ungewöhnliche Auffälligkeit unseres Charmeurs hat auch ihre Kehrseite: wir können nicht einfach mal schnell irgendwo stehen bleiben, ohne dass wir zum gefühlten 100.000sten Mal unsere Geschichte erzählen und immer dieselben Fragen beantworten dürfen. Selbst wenn wir uns ins Fahrzeug zurückziehen, um zu lesen oder zu dösen, dann gibt es mit Sicherheit wieder jemanden, der Mr. Benz lautstark bewundernd umkreist, unsere Landesflagge am Heck entdeckt und sich unüberhörbar fragt, wie wir es von Australien hierher geschafft haben (!!! – unsere Standardantwort: nein, nicht ‚Australia‘. Wir kommen aus ‚Austria‘ und wir haben keine Kängurus, wir haben nur einen Haufen Berge und Schnee). Zudem werden wir ständig fotografiert und dabei wird vorher nicht gefragt, ob es in Ordnung sei oder ob ich meine Wimperntusche bereits aufgetragen hätte. Kurzum: wir haben im Grunde nie wirklich Ruhe, außer wir stehen in der absoluten Pampa. An einem guten Tag ist es einem wurscht, aber an einem etwas weniger guten (und den hat man unterwegs genauso wie auch daheim) kann es schon mal richtig nerven.
Aber wo Sonne da halt auch Schatten (sofern der Rauch sich verzieht) und das alles ist kein großes Drama, es soll nur die ‚Abenteuer-Dauerurlaub-Romantik’ etwas relativieren und ins rechte Licht rücken. Aber jetzt kommen erst einmal drei Monate USA und wie immer: ALLES WIRD GUT!